Augustin Wiedemann über „4 Miles 2
Davis„:
Für diese Aufnahme habe ich Originalwerke und Bearbeitungen von drei der interessantesten Komponisten und Gitarristen der jüngeren Generation ausgewählt. All diesen Stücken ist gemeinsam, daß
sie zum einen in den neunziger Jahren erschienen sind und zum anderen eine gewisse Nähe zur sogenannten „populären„ Musik des Pop, Rock und Jazz aufweisen.
Meine erste direkte Begegnung mit französischen Chansons hatte ich, natürlich, in Paris. Sie zeigte mir die unglaubliche Popularität dieser Kunstform in Frankreich: Frühmorgens in einer etwas
dubiosen Bar im Quartier Latin nahm sich ein sehr, sehr betrunkener Mann eine alte Gitarre und sang „Amsterdam„ von Jacques Brel mit einer Inbrunst und selbstvergessenem Pathos, daß mir fast die Luft
wegblieb. Am meisten faszinierte mich das „Publikum„, ziemlich finstere Gestalten, weil es sämtliche Texte auswendig kannte und den Chansonnier lautstark unterstützte. Dieser unbekannte Held sang bis
der Morgen anbrach, obwohl er kaum noch seine Gitarre halten konnte. Für den Vortrag der Chansonbearbeitungen von Roland Dyens würde ich interessierten Gitarristen aber empfehlen, vorher keinen
Alkohol zu trinken. Mit großer Liebe zu dieser Musik hat Dyens völlig eigenständige Werke für Gitarre erschaffen, die jedoch meiner Meinung nach das „Flair„ der Originale auf eine wunderbare Weise
erhalten. So stammt zum Beispiel die Idee zu dem leisen durchgehenden Triller in der letzten Strophe von „Ne me quitte pas„ vom Pianisten von Jacques Brel und beim „Walking Bass„-Chorus von „Ile de
Ré„ meint man, die Band von Nougaro spielen zu hören.
Dušan Bogdanovic wurde 1955 in Jugoslawien geboren und lebt heute in San Francisco. In seiner „Jazz Sonata„ verbindet er die konstruierte klassische Sonatenform mit den improvisierten offenen
Formen des Jazz. Rhythmen aus Afrika und dem Balkan verbinden sich mit Melodik und Harmonik der Spätromantik, des Jazz und indischer Musik. Ich habe die Noten der „Jazz Sonata„ an einem sonnigen Tag
im August 1997 in San Francisco gekauft, sie durchgelesen und daraufhin das wunderbare Thema des ersten Satzes den ganzen Urlaub lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Bis heute verbinde ich mit
dieser Musik einen Sommertag in San Francisco, eigentlich keine schlechte Vorstellung (vor allem im Münchner Winter).
Ich mag nicht nur die Musik des Wiener Komponisten Helmut Jasbar, er ist auch einer der unterhaltsamsten Gesprächspartner, die ich kenne. Bei einem unserer zahlreichen Telefonate vor dieser
Weltersteinspielung von „4 Miles 2 Davis„ meinte er zu einem Satz (ich glaube es war „Robot´s Counterpoint„) nur lapidar: „Stell´ Dir einfach einen geisteskranken Grafen vor, der ganz allein in
seinem Riesenschloß sitzt und den Blues spielt.„ Alles klar. In „4 Miles 2 Davis„ erklingen verschiedene Themen des Jazztrompeters Miles Davis, nämlich „Tutu„ aus der gleichnamigen Aufnahme, „Robot
415„ aus „Decoy„ und „All Blues„ aus „Kind of Blue„. Wenn im dritten Satz „3 Miles„ drei Themen gleichzeitig auftauchen, sind kurz die ersten Töne von „Round Midnight„ von Thelonius Monk zu hören.
Helmut Jasbar beschreibt das Werk als „eine Assoziation zum musikalischen Grabmal des Barock, dem Tombeau.„ Er schrieb auch den schönen Satz: „Ich habe verschiedene Themen von Mr. Davis miteinander
verzahnt und da keines von ihnen jemals frei in seiner ursprünglichen Gestalt erklingen kann, ist es, als würden sie die Abwesenheit ihres Schöpfers betrauern.„ Der „musikalische Gott„ von Helmut
Jasbar ist Johann Sebastian Bach. Auf meine Frage, ob er in den ersten zwei Zeilen des Themas von „Robot´s Counterpoint„ absichtlich (bis auf eine Ausnahme) nur die Töne B-A-C-H verwendet hätte,
meinte er angenehm überrascht: „Eigentlich nicht, aber ein Werk hat eben seine eigenen Gesetzmäßigkeiten.„
Die ruhige, „balladeske„ Stimmung von Stings Soloversionen des alten Police-Hits „Message in a bottle„ inspirierte Helmut Jasbar bei seiner Bearbeitung dieses Klassikers. Seit ich Sting in
einem Fernsehportrait „Recuerdos de la Alhambra„ von Francisco Tarrega auf der klassischen Gitarre spielen gesehen habe, glaube ich sogar, daß ihm diese instrumentale Fassung von „Message in a
bottle„ ganz gut gefallen könnte.
Credits
Recording: July 30th – August 4th 2000, Ehemalige Kapelle St. Josef (BRK Plattling)
Microphones: Brauner VM-1
Guitar: Matthias Dammann, 1997
Sound Engineer: Josef Angloher (Contact: angloher@cs.com)
Editing and CD Mastering: Josef Angloher
Photographs and Cover Art: Stefan Kuhle
Text: Augustin Wiedemann
Publishers: Lemoine (Chansons), GSP (Bogdanovic), Bosworth (Sting, Jasbar)
Artist Contact: www.augustin-wiedemann.de
Special Thanks to:
Josef „The Ear" Angloher for making it sound (you are the best)
Sandra for borrowing me your husband for two weeks
Stefan for photos and weather forecasts (you got the look)
Dieter Oehms for always believing in me
BRK Plattling for the beautiful hall
Charly Bohaimid for high end microphones
my parents Anna and August for everything
Matthias Dammann for his constant inspiration and
- last but not least - Donald
Fagen and Walter Becker for being the first musical kick.
Dedicated to my wife Tina
A.W.